Zu viel Transparenz gibt es nicht!

Die Erkenntnis, dass die Verbraucher gerade von den Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft Transparenz erwarten, hat sich mittlerweile auch in den dortigen Chefetagen durchgesetzt. Herkunft der Rohwaren, Zutaten und Hilfsstoffe, Produktionsmethoden – vielfältig sind die Themen, für die Verbraucherschützer und Medien schon seit langem eine offene Kommunikation anmahnen. Doch warum tun sich die Unternehmen damit so schwer? Warum lassen sie diese Chance, Vertrauen aufzubauen, auf so sträfliche Weise ungenutzt?

Die Betroffenen schweigen gerne zu dieser Frage. Oder sie nennen vermeintliche Geschäftsgeheimnisse oder Wettbewerbsrisiken als Grund. Keine Frage, der Wettbewerb in dieser Branche ist hart, aber schon alleine wegen der Fluktuation von Mitarbeitern findet ein ständiger Austausch von Wissen zwischen den Unternehmen statt. Um Geheimnisverrat durch Transparenz kann es also nicht wirklich gehen.

Die wahren Gründe liegen woanders. Zwar dreht es sich auch um den Wettbewerb, aber vor dem Hintergrund einer ganz anderen, strategischen Fragestellung, auf die es bislang keine befriedigende Antwort gab: Wie viel Transparenz verträgt der Verbraucher? Ist es besser, der erste zu sein, der den Konsumenten eine unliebsame Wahrheit mitteilt und damit das Risiko eingeht, vielleicht auch der einzige zu bleiben, der offen ausspricht, was vermeintlich keiner so richtig hören mag? Oder sollte man lieber schweigen, so wie die anderen auch, und nur nicht zu viel Aufmerksamkeit bei solchen Themen auf sich ziehen?

Leider fehlt es für eine saubere Abwägung dieser Fragestellung bislang an fundierten Untersuchungen und empirischen Belegen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass solche Diskussionen meist nicht faktenbasiert, sondern auf einer reinen Glaubens- und Vermutungsebene geführt werden. Und dass sich die Skeptiker am Ende in der Regel durchsetzen, lässt sich alleine daran erkennen, dass kaum ein Unternehmen bislang offen kommuniziert. „Wenn das wirklich eine so gute Idee wäre, dann würden es die anderen doch auch schon längst machen.“ Mit diesem Killerargument werden solche Diskussionen dann meist gerne beendet.

Doch das mutige Beispiel eines dänischen Unternehmens liefert nun erfreuliche Argumente für die Befürworter einer offenen Kommunikation: Der dänische Fleischproduzent Danish Crown hat sich selbst eben jene Offenheit verordnet und gewährt interessierten Besuchern Einblick in seine Schweineschlachtung. Nicht etwa mit einem netten Imagefilm oder einer Broschüre – mehr als 200.000 Besucher haben sich im Örtchen Horsens live angesehen, wie in industriellen Dimensionen Schweine getötet, ausgeweidet und zerlegt werden.

Spiegel online widmet dem Thema aktuell einen längeren Beitrag, bei dem positiv und respektvoll über die Initiative von Danish Crown berichtet wird. Und wer sich mit den Kommentaren zu dem Artikel, aber auch mit anderen Stimmen im Netz dazu auseinandersetzt, wird zu dem Schluss kommen, dass sich Transparenz selbst bei einem so schwierigen Thema wie der Tötung von Tieren im Akkord auszeichnet.

Sicher, es ist wiederum schwer, von diesem Beispiel zu verallgemeinern. Spannend ist aber die Erkenntnis, dass die Verbraucher ganz offensichtlich selbst entscheiden wollen, wie viel an Information sie sich zumuten. Und was noch viel wichtiger ist: Sie honorieren es, Informationen zu bekommen, selbst wenn diese unangenehm sind und nicht mit eigenen Wunschvorstellungen übereinstimmen. Damit wird Transparenz zum Wert an sich. Wie so häufig, verlangt auch dieses Thema ein gehöriges Maß an unternehmerischem Mut. Schön zu sehen, dass aber ganz offensichtlich die belohnt werden, die hier auch bereit sind, ein Risiko einzugehen.