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In meiner Keynote anlässlich des ersten Forums der Public Relations Studierenden Hannover (PRSH e.V.) habe ich gefordert, dass Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen künftig mehr Verantwortung übernehmen und reputationsrelevante Prozesse von Anfang an mitgestalten müssen. Dies geht weit über kommunikative Themen hinaus und bedeutet letztlich eine weitreichende Managementaufgabe über Abteilungsgrenzen hinweg.

Natürlich stellt sich sofort die Frage, wie es dem PR-Chef überhaupt gelingen kann, so eine Rolle zu erhalten. Zwar haben die CEOs großer Unternehmen laut einer kürzlich veröffentlichen Deloitte-Studie Reputationsrisiken als die größten Gefahren für den Unternehmenserfolg erkannt. Man kann aber von Glück reden, wenn daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden und die Kommunikationsabteilung das Mandat erhält, über die Reputation eines Unternehmens zu wachen.

Vorweg: Ein generelles Rezept hierfür gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind Strukturen, Aufgabenbereiche und kulturelle Gegebenheiten. Aus eigener Erfahrung, zuletzt in einer übergeordneten Managementfunktion mit Verantwortung für die Bereiche Kommunikation, Qualitätsmanagement, Nachhaltigkeit und Recht bei Danone, kann ich jedoch ein paar Ratschläge geben, wie sich PR-Leute innerhalb ihrer Organisation erfolgreich positionieren und vernetzen können.

Der wichtigste und zugleich schwierigste Schritt ist es, innerhalb der eigenen Organisation die Rolle des Spezialisten für Pressearbeit zu verlassen und als unternehmerisch denkender Manager mit dem Fokus auf Vertrauen und Reputation wahrgenommen zu werden.

1. Lernen Sie Ihre Organisation zu verstehen

Um auf Augenhöhe mitreden zu können, ist es zunächst notwendig, die wesentlichen (betriebswirtschaftlichen) Kennzahlen und Prozesse des Unternehmens zu verstehen. Klingt banal, aber in Wahrheit ist es erschreckend, wie viele Teilnehmer von Geschäftsleitungsmeetings bei der Präsentation der monatlichen Finanzergebnisse wissend nicken, um sich in Wahrheit keine Blöße zu geben, da sie höchstens den Hauch einer Ahnung davon haben, wovon der Kollege oder die Kollegin im Detail gerade redet.

Haben Sie keine Scheu, sich alle relevanten Fakten und Zusammenhänge in Ruhe und im Detail erklären zu lassen. Aber bitte außerhalb der Geschäftsleitungsmeetings! Das gilt übrigens nicht nur für Finanzen. Sie müssen verstehen, wie und womit Ihr Unternehmen sein Geld verdient, wo die Wertschöpfung liegt.

Dabei werden Sie feststellen: Die Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen fühlen sich ob Ihres Interesses geschmeichelt und wertgeschätzt – keiner wird die Frage stellen, warum Sie die Zusammenhänge nicht schon längst kennen. Außerdem sind solche Meetings hervorragend geeignet, um die persönlichen Beziehungen und Vernetzungen zu stärken.

2. Leiten Sie die Kommunikations- aus der Unternehmensstrategie ab

Sie werden mit Ihren Themen langfristig nur dann Gehör finden, wenn Sie darlegen können, dass Sie einen relevanten Beitrag zur Unternehmensstrategie und damit zum Unternehmenserfolg leisten. Legen Sie daher kurz und prägnant dar, wie Ihre Kommunikationsstrategie auf die Unternehmensstrategie einzahlt.

Ihre engsten Verbündeten hierbei werden Marktforschung und Controlling werden. Durch entsprechende Auswertung und Erweiterung meist bereits bestehender Analysen und Studien lässt sich häufig recht einfach ermitteln, welches die relevanten Reputationsfaktoren sind. So können Sie beispielsweise per Marktforschung feststellen, welchen Einfluss die Qualitätswahrnehmung auf die Kaufbereitschaft hat und aus welchen Einzelfaktoren sie sich zusammensetzt.

3. Erklären Sie, was Sie machen, und wie Sie zum Erfolg beitragen

Häufig haben Sie selbst nur eine recht vage Vorstellung davon, was andere Abteilungen machen. Warum sollte es denen umgekehrt anders gehen? Meist werden Sie als Pressestelle gesehen, die zugleich noch die Mitarbeiterschrift und vielleicht noch das Intranet verwaltet.

Suchen Sie eine Gelegenheit, der Vorstandsetage und oberen Führungsebene Ihre Strategie und deren Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie zu erklären – zum Beispiel im Rahmen des jährlichen Budget- und Planungsprozesses. Arbeiten Sie dabei mit Kennzahlen, die Sie aus der Marktforschung abgeleitet haben.

In Zukunft setzen Sie auf die Kraft der Wiederholung, auch wenn es Sie selbst irgendwann nervt: Erklären Sie jedes mal zum Einstieg kurz Ihre Strategie und wie Sie zum Erfolg beiträgt. Nicht nur im Vorstand, sondern vor allem auch vor den Mitarbeitern Ihrer Abteilung. Die müssen diese im Schlaf beherrschen und jedem aus dem Stand erklären können, welchen Beitrag die Kommunikationsabteilung zum Unternehmenserfolg liefert. Sie werden sehen, wie schnell sich dadurch das Selbstbewusstsein der eigenen Mitarbeiter verändert.

4. Identifizieren Sie relevante Themen mit einer Hot-Spot Analyse

Sie müssen herausfinden, welche Bereiche Ihres Unternehmens besonders wichtig für die Themen Vertrauen und Reputation sind. Am besten erreichen Sie das mit einer Hot-Spot-Analyse, die die komplette Wertschöpfungskette unter die Lupe nimmt. Daraus ergeben sich die Themen, um die Sie sich kümmern müssen, weil dort Chancen oder Gefahren für die Reputation lauern.

Die notwendigen Quellen für Ihre Analyse liegen meisten bereits schon vor: Medienanalysen, Stakeholder-Mappings, Issues Reports. Und nicht vergessen: Eine laufendes Social Media Monitoring. Eine gute Übersicht über Tools und Anbieter finden Sie bei Goldbach Interactive.

5. Von informellen zu formellen Prozessen

Niemand wird freiwillig Verantwortung abgeben oder sich auf zusätzliche Abstimmungsschleifen einlassen wollen. Sie nicht und Ihre Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen auch nicht. Daher hilft es gar nichts, auf Ihre Rolle als selbsternannter Reputationswächter zu pochen und andere dazu zwingen zu wollen, ihre Themen und Inhalte mit Ihnen abzustimmen.

Sollten Sie nicht über ein Mandat aus dem Vorstand verfügen – und selbst das hilft wenig, wenn die anderen nicht freiwillig mitspielen – müssen Sie einen anderen Weg wählen: Gerne wird man Ihr Angebot annehmen, andere Bereiche dabei zu unterstützen, kritische Themen für sie im Blick zu behalten.

Nutzen Sie die Ergebnisse der Hot-Spot-Analyse, um andere Abteilungsdirektoren im Vier-Augen-Gespräch auf die Relevanz des jeweiligen Bereichs für die Unternehmensreputation zu informieren. Machen Sie’s informell und vereinbaren Sie sich zu einem regelmäßigen Treffen, um Veränderungen in der Stakeholder-Landschaft und die Monitorings zu besprechen und ggf. anstehende Entscheidungen vor diesem Hintergrund gemeinsam zu diskutieren. Sie werden sehen: Es braucht Zeit, aber Ihr eigenes Investment in internes Vertrauen zahlt sich aus, und Ihr Input wird kurzfristig Entscheidungen beeinflussen.

Von da an ist es eine Frage der Zeit, wann sich die Gelegenheit ergibt, aus informellen Einzeltreffen ein regelmäßiges, formelles Meeting zu machen – bei uns hieß das Trust-Committee – das unter Ihrer Leitung anstehende Entscheidungen im Vorfeld von Vorstands- oder Geschäftsleitungsmeetings diskutiert, um dort eine abgestimmte Meinung zu präsentieren. Immer unter der Maßgabe, dass diese Entscheidungen die Reputation des Unternehmens nicht gefährden dürfen. Voilà!

Mein Fazit

Warten Sie nicht darauf, bis Sie übergreifende Verantwortung für das Reputations-Management im Unternehmen übertragen bekommen. Das wird in der Regel nicht passieren! Schaffen Sie stattdessen selbst die notwendigen Strukturen, indem Sie sich selbst und Ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg positionieren und indem Sie interne Netzwerke aufbauen.

Je mehr ich über den vermeintlichen Segen von Content Marketing und Content Strategy für Marketing und PR lese, desto mehr wundere ich mich, dass es wieder einmal einzig um die Frage des “Wie” zu gehen scheint, in den seltensten Fällen aber um die Frage des “Warum”.

Wir werden überflutet von guten Ratschlägen, wie sich durch geschicktes Storytelling die größte Reichweite, die höchste Interaktionsrate etc. generieren lässt. Für die obligatorischen Top 10-Ratschläge Listen scheint es ein dankbares Thema zu sein.

Da stelle ich mir die Frage: Hat denn niemand etwas daraus gelernt, warum Digital Marketing die Erwartungen von Werbungtreibenden und Agenturen so enttäuscht hat?

Social Media ist kein Selbstzweck oder Wert für ein Unternehmen an sich. Letztendlich ist es Sammelbegriffe für eine Reihe sehr spezifischer, internetbasierter Kommunikations- und Dialogplattformen, für die spezielle Kommunikationsregeln gelten, die aber auch einen sehr individuellen und spezifischen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung einer Kommunikationsstrategie leisten können – oder auch nicht. Ich weiß, damit erzähle ich niemandem etwas Neues, aber man muss sich die Konsequenz vor Augen halten:

Social Media ist immer Instrument, niemals das Ziel.

Streng genommen kann es auch keine Social Media Strategie geben. Gemeint ist nämlich immer die Frage, wie Social Media genutzt wird, um ein bestimmtes Kommunikations- oder Unternehmensziel zu erreichen. Nur dann lassen sich zum Beispiel schlüssige Antworten geben, welche Plattformen überhaupt genutzt werden sollen.

Das Besondere an Social Media ist nicht die Tatsache, dass Unternehmen damit selbst zum Medium werden. Das gab’s bei klassischem Corporate Publishing schon längst. Es ist vielmehr der Aspekt der sozialen, sprich: gesellschaftlichen Kommunikation. Hier geht es um Dialog und nicht um Informationsverbreitung. Hier geht es um Emotionen und vor allem: Es geht um Vertrauen, “die essenzielle Basis jeder ökonomischen Beziehung“, wie Rolf van Dick, Professor am Institut für Psychologie der Universität Frankfurt, unlängst in der WirtschaftsWoche zitiert wurde.

Social Media ist Teil der Vertrauens-Strategie – nicht umgekehrt.

Aus diesem Blickwinkel wird auch sehr schnell klar, warum es nichts bringt, den internetaffinen Azubi oder die Assistentin damit zu beauftragen, jetzt mal eben Facebook “mitzumachen”. Vertrauensaufbau ist angesichts des gesellschaftlichen und digitalen Wandels eine der zentralen strategischen Herausforderungen für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.