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In meiner Keynote anlässlich des ersten Forums der Public Relations Studierenden Hannover (PRSH e.V.) habe ich gefordert, dass Kommunikationsverantwortliche in Unternehmen künftig mehr Verantwortung übernehmen und reputationsrelevante Prozesse von Anfang an mitgestalten müssen. Dies geht weit über kommunikative Themen hinaus und bedeutet letztlich eine weitreichende Managementaufgabe über Abteilungsgrenzen hinweg.

Natürlich stellt sich sofort die Frage, wie es dem PR-Chef überhaupt gelingen kann, so eine Rolle zu erhalten. Zwar haben die CEOs großer Unternehmen laut einer kürzlich veröffentlichen Deloitte-Studie Reputationsrisiken als die größten Gefahren für den Unternehmenserfolg erkannt. Man kann aber von Glück reden, wenn daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden und die Kommunikationsabteilung das Mandat erhält, über die Reputation eines Unternehmens zu wachen.

Vorweg: Ein generelles Rezept hierfür gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind Strukturen, Aufgabenbereiche und kulturelle Gegebenheiten. Aus eigener Erfahrung, zuletzt in einer übergeordneten Managementfunktion mit Verantwortung für die Bereiche Kommunikation, Qualitätsmanagement, Nachhaltigkeit und Recht bei Danone, kann ich jedoch ein paar Ratschläge geben, wie sich PR-Leute innerhalb ihrer Organisation erfolgreich positionieren und vernetzen können.

Der wichtigste und zugleich schwierigste Schritt ist es, innerhalb der eigenen Organisation die Rolle des Spezialisten für Pressearbeit zu verlassen und als unternehmerisch denkender Manager mit dem Fokus auf Vertrauen und Reputation wahrgenommen zu werden.

1. Lernen Sie Ihre Organisation zu verstehen

Um auf Augenhöhe mitreden zu können, ist es zunächst notwendig, die wesentlichen (betriebswirtschaftlichen) Kennzahlen und Prozesse des Unternehmens zu verstehen. Klingt banal, aber in Wahrheit ist es erschreckend, wie viele Teilnehmer von Geschäftsleitungsmeetings bei der Präsentation der monatlichen Finanzergebnisse wissend nicken, um sich in Wahrheit keine Blöße zu geben, da sie höchstens den Hauch einer Ahnung davon haben, wovon der Kollege oder die Kollegin im Detail gerade redet.

Haben Sie keine Scheu, sich alle relevanten Fakten und Zusammenhänge in Ruhe und im Detail erklären zu lassen. Aber bitte außerhalb der Geschäftsleitungsmeetings! Das gilt übrigens nicht nur für Finanzen. Sie müssen verstehen, wie und womit Ihr Unternehmen sein Geld verdient, wo die Wertschöpfung liegt.

Dabei werden Sie feststellen: Die Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen fühlen sich ob Ihres Interesses geschmeichelt und wertgeschätzt – keiner wird die Frage stellen, warum Sie die Zusammenhänge nicht schon längst kennen. Außerdem sind solche Meetings hervorragend geeignet, um die persönlichen Beziehungen und Vernetzungen zu stärken.

2. Leiten Sie die Kommunikations- aus der Unternehmensstrategie ab

Sie werden mit Ihren Themen langfristig nur dann Gehör finden, wenn Sie darlegen können, dass Sie einen relevanten Beitrag zur Unternehmensstrategie und damit zum Unternehmenserfolg leisten. Legen Sie daher kurz und prägnant dar, wie Ihre Kommunikationsstrategie auf die Unternehmensstrategie einzahlt.

Ihre engsten Verbündeten hierbei werden Marktforschung und Controlling werden. Durch entsprechende Auswertung und Erweiterung meist bereits bestehender Analysen und Studien lässt sich häufig recht einfach ermitteln, welches die relevanten Reputationsfaktoren sind. So können Sie beispielsweise per Marktforschung feststellen, welchen Einfluss die Qualitätswahrnehmung auf die Kaufbereitschaft hat und aus welchen Einzelfaktoren sie sich zusammensetzt.

3. Erklären Sie, was Sie machen, und wie Sie zum Erfolg beitragen

Häufig haben Sie selbst nur eine recht vage Vorstellung davon, was andere Abteilungen machen. Warum sollte es denen umgekehrt anders gehen? Meist werden Sie als Pressestelle gesehen, die zugleich noch die Mitarbeiterschrift und vielleicht noch das Intranet verwaltet.

Suchen Sie eine Gelegenheit, der Vorstandsetage und oberen Führungsebene Ihre Strategie und deren Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie zu erklären – zum Beispiel im Rahmen des jährlichen Budget- und Planungsprozesses. Arbeiten Sie dabei mit Kennzahlen, die Sie aus der Marktforschung abgeleitet haben.

In Zukunft setzen Sie auf die Kraft der Wiederholung, auch wenn es Sie selbst irgendwann nervt: Erklären Sie jedes mal zum Einstieg kurz Ihre Strategie und wie Sie zum Erfolg beiträgt. Nicht nur im Vorstand, sondern vor allem auch vor den Mitarbeitern Ihrer Abteilung. Die müssen diese im Schlaf beherrschen und jedem aus dem Stand erklären können, welchen Beitrag die Kommunikationsabteilung zum Unternehmenserfolg liefert. Sie werden sehen, wie schnell sich dadurch das Selbstbewusstsein der eigenen Mitarbeiter verändert.

4. Identifizieren Sie relevante Themen mit einer Hot-Spot Analyse

Sie müssen herausfinden, welche Bereiche Ihres Unternehmens besonders wichtig für die Themen Vertrauen und Reputation sind. Am besten erreichen Sie das mit einer Hot-Spot-Analyse, die die komplette Wertschöpfungskette unter die Lupe nimmt. Daraus ergeben sich die Themen, um die Sie sich kümmern müssen, weil dort Chancen oder Gefahren für die Reputation lauern.

Die notwendigen Quellen für Ihre Analyse liegen meisten bereits schon vor: Medienanalysen, Stakeholder-Mappings, Issues Reports. Und nicht vergessen: Eine laufendes Social Media Monitoring. Eine gute Übersicht über Tools und Anbieter finden Sie bei Goldbach Interactive.

5. Von informellen zu formellen Prozessen

Niemand wird freiwillig Verantwortung abgeben oder sich auf zusätzliche Abstimmungsschleifen einlassen wollen. Sie nicht und Ihre Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen auch nicht. Daher hilft es gar nichts, auf Ihre Rolle als selbsternannter Reputationswächter zu pochen und andere dazu zwingen zu wollen, ihre Themen und Inhalte mit Ihnen abzustimmen.

Sollten Sie nicht über ein Mandat aus dem Vorstand verfügen – und selbst das hilft wenig, wenn die anderen nicht freiwillig mitspielen – müssen Sie einen anderen Weg wählen: Gerne wird man Ihr Angebot annehmen, andere Bereiche dabei zu unterstützen, kritische Themen für sie im Blick zu behalten.

Nutzen Sie die Ergebnisse der Hot-Spot-Analyse, um andere Abteilungsdirektoren im Vier-Augen-Gespräch auf die Relevanz des jeweiligen Bereichs für die Unternehmensreputation zu informieren. Machen Sie’s informell und vereinbaren Sie sich zu einem regelmäßigen Treffen, um Veränderungen in der Stakeholder-Landschaft und die Monitorings zu besprechen und ggf. anstehende Entscheidungen vor diesem Hintergrund gemeinsam zu diskutieren. Sie werden sehen: Es braucht Zeit, aber Ihr eigenes Investment in internes Vertrauen zahlt sich aus, und Ihr Input wird kurzfristig Entscheidungen beeinflussen.

Von da an ist es eine Frage der Zeit, wann sich die Gelegenheit ergibt, aus informellen Einzeltreffen ein regelmäßiges, formelles Meeting zu machen – bei uns hieß das Trust-Committee – das unter Ihrer Leitung anstehende Entscheidungen im Vorfeld von Vorstands- oder Geschäftsleitungsmeetings diskutiert, um dort eine abgestimmte Meinung zu präsentieren. Immer unter der Maßgabe, dass diese Entscheidungen die Reputation des Unternehmens nicht gefährden dürfen. Voilà!

Mein Fazit

Warten Sie nicht darauf, bis Sie übergreifende Verantwortung für das Reputations-Management im Unternehmen übertragen bekommen. Das wird in der Regel nicht passieren! Schaffen Sie stattdessen selbst die notwendigen Strukturen, indem Sie sich selbst und Ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg positionieren und indem Sie interne Netzwerke aufbauen.

Je mehr ich über den vermeintlichen Segen von Content Marketing und Content Strategy für Marketing und PR lese, desto mehr wundere ich mich, dass es wieder einmal einzig um die Frage des “Wie” zu gehen scheint, in den seltensten Fällen aber um die Frage des “Warum”.

Wir werden überflutet von guten Ratschlägen, wie sich durch geschicktes Storytelling die größte Reichweite, die höchste Interaktionsrate etc. generieren lässt. Für die obligatorischen Top 10-Ratschläge Listen scheint es ein dankbares Thema zu sein.

Da stelle ich mir die Frage: Hat denn niemand etwas daraus gelernt, warum Digital Marketing die Erwartungen von Werbungtreibenden und Agenturen so enttäuscht hat?

Social Media ist kein Selbstzweck oder Wert für ein Unternehmen an sich. Letztendlich ist es Sammelbegriffe für eine Reihe sehr spezifischer, internetbasierter Kommunikations- und Dialogplattformen, für die spezielle Kommunikationsregeln gelten, die aber auch einen sehr individuellen und spezifischen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung einer Kommunikationsstrategie leisten können – oder auch nicht. Ich weiß, damit erzähle ich niemandem etwas Neues, aber man muss sich die Konsequenz vor Augen halten:

Social Media ist immer Instrument, niemals das Ziel.

Streng genommen kann es auch keine Social Media Strategie geben. Gemeint ist nämlich immer die Frage, wie Social Media genutzt wird, um ein bestimmtes Kommunikations- oder Unternehmensziel zu erreichen. Nur dann lassen sich zum Beispiel schlüssige Antworten geben, welche Plattformen überhaupt genutzt werden sollen.

Das Besondere an Social Media ist nicht die Tatsache, dass Unternehmen damit selbst zum Medium werden. Das gab’s bei klassischem Corporate Publishing schon längst. Es ist vielmehr der Aspekt der sozialen, sprich: gesellschaftlichen Kommunikation. Hier geht es um Dialog und nicht um Informationsverbreitung. Hier geht es um Emotionen und vor allem: Es geht um Vertrauen, “die essenzielle Basis jeder ökonomischen Beziehung“, wie Rolf van Dick, Professor am Institut für Psychologie der Universität Frankfurt, unlängst in der WirtschaftsWoche zitiert wurde.

Social Media ist Teil der Vertrauens-Strategie – nicht umgekehrt.

Aus diesem Blickwinkel wird auch sehr schnell klar, warum es nichts bringt, den internetaffinen Azubi oder die Assistentin damit zu beauftragen, jetzt mal eben Facebook “mitzumachen”. Vertrauensaufbau ist angesichts des gesellschaftlichen und digitalen Wandels eine der zentralen strategischen Herausforderungen für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.

Die Unternehmenskommunikation muss ihrer strategischen Rolle gerecht werden
und sollte sich nicht am Marketing orientieren

Die Meinung von Richard Edelman hat Gewicht in der Kommunikationsbranche. Und so kann man nur hoffen, dass die Rede anlässlich seiner Berufung in die „Hall of Fame“ der Arthur Page Society am 21. September viel Nachhall findet. Denn Edelmans recht banal klingende Forderung, aus dem Begriff „Marketing Communications“ die Bezeichnung „Communications Marketing“ zu machen und als PR endlich auf Augenhöhe zur Marketingabteilung wahrgenommen zu werden, verdeutlicht die Identitätskrise, in der sich unsere Branche derzeit befindet.

Dazu passt auch der Hilferuf, den Petra Sammer im Sommer aus der Jurysitzung der diesjährigen Cannes Löwen in der Kategorie Public Relations geschickt hatte, angesichts der zahlreichen Belanglosigkeiten, die dort zur Beurteilung eingereicht worden waren. Trotz ihrer Rolle als Chief Creative Officer von Ketchum Pleon in München beklagte sie nicht mangelnde Kreativität in der Ausführung, sondern die fehlende strategische Relevanz vieler eingereichter Projekte, die lediglich „als Anhängsel einer Werbekampagne daherkommen.“ Aus diesem Grund habe sich die Jury ernsthaft die Frage gestellt: „Was ist eigentlich PR?“

Eine gute Frage, redet doch die ganze Fachwelt mittlerweile von Content Marketing und der Erkenntnis, dass die Grenzen zwischen den Disziplinen endgültig verschwimmen. Gutes #Storytelling gilt mittlerweile über alle Kommunikationsbereiche hinweg als unabdingbare Voraussetzung, damit Marken und ihre Botschaften ihre Zielgruppen erreichen, mitreißen, involvieren. Und der Ruf nach journalistischen Kompetenzen ist mittlerweile fast genauso laut wie der nach kreativen Ideen. Wächst da endlich zusammen, was schon lange zusammengehört?

Wie auch immer, viele aktuelle Beispiele zeigen, was passiert, wenn sich die Disziplin Unternehmenskommunikation damit begnügt, sich sang- und klanglos den Marketingabteilungen und Werbestrategien unterzuordnen. Vielleicht ist es die Hoffnung, künftig ein größeres Stück vom üppigen Werbebudgetkuchen abzubekommen. Dass die Kommunikation damit aber Gefahr läuft, sich als strategische Funktion eines Unternehmens systematisch in die Bedeutungslosigkeit zu manövrieren, scheinen viele offensichtlich zu übersehen.

Bestandteil der Unternehmensstrategie

Und das in einer Zeit, in der Reputationskrisen und eine sich radikal verändernde Kommunikationslandschaft die einmalige Chance bieten, eine Neuordnung in der Aufteilung sich vermischender Kommunikationsdisziplinen vorzunehmen und die Unternehmenskommunikation dort zu verorten, wo sie hingehört: Ganz weit oben in der Unternehmenshierarchie und als integraler Bestandteil einer auf Reputation und Vertrauen ausgerichteten Unternehmensstrategie.

Fast wie ein Geschenk auf dem Silbertablett sind die gesellschaftlichen Veränderungen, mit denen die Unternehmen heute konfrontiert sind: Verbraucher haben ganz andere Anforderungen an Glaubwürdigkeit und Transparenz und werden nicht müde, diese über Social Media-Kanäle zu artikulieren. Das Internet gibt Interessengruppen machtvolle Instrumente in die Hand, um Druck auf missliebige Unternehmen auszuüben. Sie stellen eine massive Bedrohung des wohl wichtigsten und zugleich vergänglichsten immateriellen Wertes eines Unternehmens oder einer Marke dar: des guten Rufs. Dagegen helfen keine kreativen Werbekampagnen, vielmehr sind hier mehr denn je die auf langfristigen Vertrauensaufbau ausgerichteten Disziplinen der Kommunikation gefragt.

Selbst die CEOs großer Unternehmen haben die immense Bedeutung von Reputation erkannt und folgerichtig in einer Deloitte Studie im vergangenen Jahr Reputationskrisen als die größte Bedrohung für den Unternehmenserfolg identifiziert. Richtig so!

Vertrauen ist Grundlage und Schlüssel zu einem langfristigen Unternehmenserfolg, wichtiger als jede noch so gut inszenierte kurzfristige Marketingmaßnahme. Kaum eine Studie, die diese Erkenntnis in jüngster Vergangenheit nicht untermauert hätte. Nicht zuletzt deswegen kommt Edelman in seinem diesjährigen Trust-Barometer zu dem Ergebnis, dass aus dem Chief Executive Officer künftig ein Chief Engagement Officer werden muss.

Kommunikation für CEOs kein strategischer Partner

Doch so erfreulich diese Erkenntnis einerseits ist, so ernüchternd ist sie andererseits, denn sie zeigt, dass die Kommunikationsverantwortlichen in den Unternehmen dazu offensichtlich wenig beizutragen haben. Diese Meinung haben auch, wissenschaftlich untersucht und verbrieft, die CEOs selbst: In einer gemeinsamen Studie von Universität Leipzig und Humboldt-Universität Berlin in Kooperation mit dem F.A.Z.-Institut und der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation zur „Unternehmenskommunikation aus der Perspektive des Top-Managements“ sehen die Unternehmenslenker nämlich die Hauptverantwortung und die größten Erfolge für eine wirkungsvolle Kommunikationsarbeit bei sich selbst und nicht etwa bei der Kommunikationsabteilung.

Seit genau einem Jahr liegen die Ergebnisse dieser Studie nun auf dem Tisch. Die Autorin Muschda Sherzada wurde 2013 vom Bundesverband deutscher Pressesprecher dafür sogar mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet. Doch passiert ist in der Folge: nichts. Keine Diskussion zum Berufsbild, keine Auseinandersetzung über mögliche Defizite in der Verknüpfung von Kommunikations- und Unternehmensstrategien.

Wann fangen wir endlich an, die vor uns liegenden Chancen zu ergreifen und die strategische Rolle der Kommunikation und der Kommunikationsabteilungen in Unternehmen neu zu definieren? Und vor allem: dafür auch zu kämpfen? Beharrlich fordert Microsoft Kommunikationschef Thomas Mickeleit, dass die Kommunikatoren den einheitlichen Auftritt eines Unternehmens über alle Zielgruppen und Kanäle hinweg orchestrieren müssen.

Doch die eigentliche und spannende Chance liegt für die Unternehmenskommunikation nun darin, nicht nur die Hoheit über die Koordination der Themen zu erlangen, sondern hierfür auch die passenden Strukturen im Unternehmen zu schaffen.

Wenn es klar ist, dass Vertrauen ein schützenswertes Gut und einen wichtigen wie langfristigen Beitrag zum Unternehmenserfolg darstellt, dann dürfen Marketingabteilungen nicht einfach schalten und walten wie sie wollen, dann müssen Rechtsabteilungen akzeptieren, dass nicht alles legitim sein muss, nur weil es legal ist. Und dann müssen Einkaufs- und Entwicklungsabteilungen ganze Prozesse verändern, um die von Stakeholdern geforderte Transparenz herzustellen. Und bei wem sollten die Fäden zusammenlaufen, wenn nicht in einer starken Kommunikationsabteilung, die das Mandat hat, über das Vertrauen des Unternehmens zu wachen?

Diese Rolle wird aber niemandem freiwillig offeriert: Kein Bereich wird Verantwortung abgeben wollen und sich auf zusätzliche Abstimmungsschleifen mit der Kommunikation einlassen. Und auch die CEOs selbst sind schlechte Verbündete, wie die Top-Entscheider Studie offenbart: Nur 35% der Befragten haben überhaupt ein Interesse, dass die Kommunikationsabteilung eine stärkere strategische Rolle im Unternehmen einnimmt.

Kommunikatoren gehören meist nicht zum Top-Führungskreis

Hilfreich wäre jetzt ein Debatte, geführt von Wissenschaft und Berufsverbänden, über den notwendigen Beitrag einer strategisch aufgestellten und einflussreichen Kommunikationsabteilung, um mit den aktuellen und künftigen Reputationsherausforderungen umzugehen. Hier geht es nicht nur um Inhalte, hier geht in erster Linie um Strukturen, Prozesse, Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen. Und es geht um die Qualifikationen, die notwendig sind, um so eine Rolle adäquat auszufüllen.

Es gibt keinen Grund, warum der Kommunikationschef nicht entscheidenden Einfluss haben sollte, wenn es um die Absegnung einer Marketingkampagne gehen sollte. Grabenkämpfe mit dem Marketing um die Verteilung von Budgets sind unnötig, denn am Ende geht es nicht darum, wer das Geld verwaltet, sondern wer über den Einsatz das letzte Wort hat. Undenkbar? Falsch, denn auch die Juristen haben es geschafft, sich qua ihrer Funktion einen derartigen Einfluss zu sichern.

Kein CEO stammt aus der Unternehmenskommunikation

Dass der Weg lange und steinig sein wird, zeigt ein Blick in der Lebensläufe der gegenwärtigen Dax 30-Vorstände: Von rund 200 Personen hat nicht einmal eine Handvoll im Laufe der beruflichen Laufbahn eine Station in einer Kommunikationsabteilung absolviert. Von den CEOs – in der Regel für Unternehmenskommunikation verantwortlich – kein einziger. Auch das verdeutlicht, welche Rolle die Kommunikatoren gegenwärtig als mögliche Kandidaten für eine Position im Top-Management einnehmen bzw. nicht einnehmen.

Groß war Mitte der 90er Jahre die Begeisterung, als Klaus Kocks bei VW zum ersten Kommunikationsvorstand eines deutschen DAX Unternehmens berufen wurde. Vom Beginn einer neuen Ära war damals die Rede. Doch was ist davon übriggeblieben? Wann haben wir zum letzten Mal gehört, dass ein hochrangiger Kommunikator in den Vorstand eines Konzerns berufen wurde – oder noch besser: ein eigenes Vorstandsressort für Kommunikation erhalten oder sogar den Vorstandsvorsitz übernommen hat?

Schuld trägt unser Berufsstand im Wesentlichen selbst: Denn es ist bequem, sich auf seine Spezialistenrolle zurückzuziehen, abseits der relevanten Unternehmenskennzahlen und des Erwartungsdrucks, unter dem gerade operative Abteilungen stehen. Gefordert ist die tiefe Kenntnis betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge, das Verständnis der Kennzahlen und die Bereitschaft, sich als unternehmerisch denkender Ansprechpartner einzubringen und vor allem: zu positionieren. Das gelingt nicht, wenn der Kommunikator lediglich im Schatten des CEOs auftritt und, so es einen Wechsel im Vorstandsvorsitz gibt, meist gleich mit weggespült wird.

Kommunikatoren als CEOs prädestiniert

Den Personalern ist es in jüngerer Vergangenheit sehr gut gelungen, sich einen festen Platz in den Vorstandsetagen zu erarbeiten. Davon können wir lernen. Und warum sollten das nicht auch die Kommunikatoren schaffen? Die gute Nachricht: Das Vorstandsressort dafür gibt es längst. Denn eigentlich gibt es keinen Grund, warum der Weg eines CEOs nicht standardmäßig über die Station in der Kommunikationsabteilung laufen sollte.

Dort befindet sich das intellektuelle Epizentrum des Unternehmens und nirgendwo sonst denkt man so in großen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen, die für das erfolgreiche Führen eines Unternehmens so entscheidend geworden sind. Genau darüber sollten wir uns unterhalten, wenn sich wieder einmal die Frage stellt, was PR eigentlich ist. Nicht weniger. Und: Eine solche Diskussion gehört dann nach Davos, nicht nur nach Cannes.

Es drohte mal wieder ein langweiliger, vorhersagbarer Schlagabtausch von #Lebensmittelindustrie und deren Kritikern zu werden, als Frank Plasberg am Montagabend zum Thema “Essen aus der Truhe – Was ist der Preis für unsere Bequemlichkeit?” in seine Sendung Hart aber Fair eingeladen hatte. Und schon in der Vorstellungsrunde zeigten die Diskutanten, dass sie bereitwillig die ihnen zugedachte Rolle auf dem Podium einnehmen wollten. Bis Matthias Wolfschmidt, Vizechef von #foodwatch, an der Reihe war: Seine überaus konziliante Art, mit der er Leistungen der Lebensmittelindustrie würdigte, um gleichzeitig unaufgeregt aber gestützt von zahlreichen Fakten und Details seine kritischen Argumente vorzubringen, stellen geradezu eine Kehrtwende in der Art dar, wie foodwatch öffentliche Diskussionen führt.

Ich erinnere mich an kaum ein Interview mit foodwatch-Gründer Thilo Bode, in dem er nicht spätestens im dritten Satz sein Mantra ausgebreitet hat: “Du kannst der Lebensmittelindustrie nicht trauen.” Damit waren die Fronten geklärt, gleichzeitig aber auch jedem konstruktiven Dialog die Grundlage entzogen. Unfreiwillig hat es Bode damit all seinen Kritikern leicht gemacht, foodwatch einfach jedes Interesse an einem echten Dialog abzusprechen.

Nun ist es seit einiger Zeit schon etwas ruhiger geworden um den Grand Seigneur der selbsternannten Essensretter. Doch auch seine umtriebigen Öffentlichkeitsarbeiter Anne Markwardt und Oliver Huizinga versuchten bislang stets mit genau der gleichen Argumentationsstrategie zu punkten und vor allem auf eines zu setzen: Konfrontation. Nun, nach dem Auftritt von Matthias Wolfschmidt kann man nur die Frage stellen, warum der Vize nicht schon viel häufiger in wichtigen Diskussionsrunden aufs Podium durfte – oder wollte.

Sollte dies der neue Weg sein, den foodwatch in der Erörterung seiner Positionen einschlagen möchte, so sind die Mitdiskutanten aus der Lebensmittelwirtschaft gut beraten, sich selbst kritisch zu hinterfragen und schnellstmöglich rhetorisch sowie argumentativ darauf einzustellen. Wer nicht nur Gegenfeuer bekommt, sondern – wenn auch vordergründig – Lob und Anerkennung für seine Leistungen erhält, ist gezwungen, sich auch mit den Argumenten seines Gegenübers auseinanderzusetzen, berechtigte Kritik anzuerkennen und sich nicht stoisch auf die immerselben Positionen zurückzuziehen.

So gesehen freue ich mich erstmals seit langen wieder auf die nächste Diskussionsrunde zum Thema Lebensmittel, in der foodwatch hoffentlich wieder mit Wolfschmidt vertreten sein wird. Ihm kann ich an dieser Stelle nur den Rat geben, sich künftig die eigene Garderobenwahl besser zu überlegen: Dass seine rot-braune Kombi eine eher unerfreuliche Allianz mit der roten Studiodeko von Hart aber Fair eingegangen ist, war eigentlich das einzige, was mich an seinem Auftritt gestört hat.

Hier der Link zur Sendung in der ARD-Mediathek.

Foto: Website Hart aber Fair, WDR. // Beitrag aktualisiert am 2.9.2014, 11:57 Uhr.