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Die Unternehmenskommunikation muss ihrer strategischen Rolle gerecht werden
und sollte sich nicht am Marketing orientieren
Die Meinung von Richard Edelman hat Gewicht in der Kommunikationsbranche. Und so kann man nur hoffen, dass die Rede anlässlich seiner Berufung in die „Hall of Fame“ der Arthur Page Society am 21. September viel Nachhall findet. Denn Edelmans recht banal klingende Forderung, aus dem Begriff „Marketing Communications“ die Bezeichnung „Communications Marketing“ zu machen und als PR endlich auf Augenhöhe zur Marketingabteilung wahrgenommen zu werden, verdeutlicht die Identitätskrise, in der sich unsere Branche derzeit befindet.
Dazu passt auch der Hilferuf, den Petra Sammer im Sommer aus der Jurysitzung der diesjährigen Cannes Löwen in der Kategorie Public Relations geschickt hatte, angesichts der zahlreichen Belanglosigkeiten, die dort zur Beurteilung eingereicht worden waren. Trotz ihrer Rolle als Chief Creative Officer von Ketchum Pleon in München beklagte sie nicht mangelnde Kreativität in der Ausführung, sondern die fehlende strategische Relevanz vieler eingereichter Projekte, die lediglich „als Anhängsel einer Werbekampagne daherkommen.“ Aus diesem Grund habe sich die Jury ernsthaft die Frage gestellt: „Was ist eigentlich PR?“
Eine gute Frage, redet doch die ganze Fachwelt mittlerweile von Content Marketing und der Erkenntnis, dass die Grenzen zwischen den Disziplinen endgültig verschwimmen. Gutes #Storytelling gilt mittlerweile über alle Kommunikationsbereiche hinweg als unabdingbare Voraussetzung, damit Marken und ihre Botschaften ihre Zielgruppen erreichen, mitreißen, involvieren. Und der Ruf nach journalistischen Kompetenzen ist mittlerweile fast genauso laut wie der nach kreativen Ideen. Wächst da endlich zusammen, was schon lange zusammengehört?
Wie auch immer, viele aktuelle Beispiele zeigen, was passiert, wenn sich die Disziplin Unternehmenskommunikation damit begnügt, sich sang- und klanglos den Marketingabteilungen und Werbestrategien unterzuordnen. Vielleicht ist es die Hoffnung, künftig ein größeres Stück vom üppigen Werbebudgetkuchen abzubekommen. Dass die Kommunikation damit aber Gefahr läuft, sich als strategische Funktion eines Unternehmens systematisch in die Bedeutungslosigkeit zu manövrieren, scheinen viele offensichtlich zu übersehen.
Bestandteil der Unternehmensstrategie
Und das in einer Zeit, in der Reputationskrisen und eine sich radikal verändernde Kommunikationslandschaft die einmalige Chance bieten, eine Neuordnung in der Aufteilung sich vermischender Kommunikationsdisziplinen vorzunehmen und die Unternehmenskommunikation dort zu verorten, wo sie hingehört: Ganz weit oben in der Unternehmenshierarchie und als integraler Bestandteil einer auf Reputation und Vertrauen ausgerichteten Unternehmensstrategie.
Fast wie ein Geschenk auf dem Silbertablett sind die gesellschaftlichen Veränderungen, mit denen die Unternehmen heute konfrontiert sind: Verbraucher haben ganz andere Anforderungen an Glaubwürdigkeit und Transparenz und werden nicht müde, diese über Social Media-Kanäle zu artikulieren. Das Internet gibt Interessengruppen machtvolle Instrumente in die Hand, um Druck auf missliebige Unternehmen auszuüben. Sie stellen eine massive Bedrohung des wohl wichtigsten und zugleich vergänglichsten immateriellen Wertes eines Unternehmens oder einer Marke dar: des guten Rufs. Dagegen helfen keine kreativen Werbekampagnen, vielmehr sind hier mehr denn je die auf langfristigen Vertrauensaufbau ausgerichteten Disziplinen der Kommunikation gefragt.
Selbst die CEOs großer Unternehmen haben die immense Bedeutung von Reputation erkannt und folgerichtig in einer Deloitte Studie im vergangenen Jahr Reputationskrisen als die größte Bedrohung für den Unternehmenserfolg identifiziert. Richtig so!
Vertrauen ist Grundlage und Schlüssel zu einem langfristigen Unternehmenserfolg, wichtiger als jede noch so gut inszenierte kurzfristige Marketingmaßnahme. Kaum eine Studie, die diese Erkenntnis in jüngster Vergangenheit nicht untermauert hätte. Nicht zuletzt deswegen kommt Edelman in seinem diesjährigen Trust-Barometer zu dem Ergebnis, dass aus dem Chief Executive Officer künftig ein Chief Engagement Officer werden muss.
Kommunikation für CEOs kein strategischer Partner
Doch so erfreulich diese Erkenntnis einerseits ist, so ernüchternd ist sie andererseits, denn sie zeigt, dass die Kommunikationsverantwortlichen in den Unternehmen dazu offensichtlich wenig beizutragen haben. Diese Meinung haben auch, wissenschaftlich untersucht und verbrieft, die CEOs selbst: In einer gemeinsamen Studie von Universität Leipzig und Humboldt-Universität Berlin in Kooperation mit dem F.A.Z.-Institut und der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung & Kommunikation zur „Unternehmenskommunikation aus der Perspektive des Top-Managements“ sehen die Unternehmenslenker nämlich die Hauptverantwortung und die größten Erfolge für eine wirkungsvolle Kommunikationsarbeit bei sich selbst und nicht etwa bei der Kommunikationsabteilung.
Seit genau einem Jahr liegen die Ergebnisse dieser Studie nun auf dem Tisch. Die Autorin Muschda Sherzada wurde 2013 vom Bundesverband deutscher Pressesprecher dafür sogar mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet. Doch passiert ist in der Folge: nichts. Keine Diskussion zum Berufsbild, keine Auseinandersetzung über mögliche Defizite in der Verknüpfung von Kommunikations- und Unternehmensstrategien.
Wann fangen wir endlich an, die vor uns liegenden Chancen zu ergreifen und die strategische Rolle der Kommunikation und der Kommunikationsabteilungen in Unternehmen neu zu definieren? Und vor allem: dafür auch zu kämpfen? Beharrlich fordert Microsoft Kommunikationschef Thomas Mickeleit, dass die Kommunikatoren den einheitlichen Auftritt eines Unternehmens über alle Zielgruppen und Kanäle hinweg orchestrieren müssen.
Doch die eigentliche und spannende Chance liegt für die Unternehmenskommunikation nun darin, nicht nur die Hoheit über die Koordination der Themen zu erlangen, sondern hierfür auch die passenden Strukturen im Unternehmen zu schaffen.
Wenn es klar ist, dass Vertrauen ein schützenswertes Gut und einen wichtigen wie langfristigen Beitrag zum Unternehmenserfolg darstellt, dann dürfen Marketingabteilungen nicht einfach schalten und walten wie sie wollen, dann müssen Rechtsabteilungen akzeptieren, dass nicht alles legitim sein muss, nur weil es legal ist. Und dann müssen Einkaufs- und Entwicklungsabteilungen ganze Prozesse verändern, um die von Stakeholdern geforderte Transparenz herzustellen. Und bei wem sollten die Fäden zusammenlaufen, wenn nicht in einer starken Kommunikationsabteilung, die das Mandat hat, über das Vertrauen des Unternehmens zu wachen?
Diese Rolle wird aber niemandem freiwillig offeriert: Kein Bereich wird Verantwortung abgeben wollen und sich auf zusätzliche Abstimmungsschleifen mit der Kommunikation einlassen. Und auch die CEOs selbst sind schlechte Verbündete, wie die Top-Entscheider Studie offenbart: Nur 35% der Befragten haben überhaupt ein Interesse, dass die Kommunikationsabteilung eine stärkere strategische Rolle im Unternehmen einnimmt.
Kommunikatoren gehören meist nicht zum Top-Führungskreis
Hilfreich wäre jetzt ein Debatte, geführt von Wissenschaft und Berufsverbänden, über den notwendigen Beitrag einer strategisch aufgestellten und einflussreichen Kommunikationsabteilung, um mit den aktuellen und künftigen Reputationsherausforderungen umzugehen. Hier geht es nicht nur um Inhalte, hier geht in erster Linie um Strukturen, Prozesse, Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen. Und es geht um die Qualifikationen, die notwendig sind, um so eine Rolle adäquat auszufüllen.
Es gibt keinen Grund, warum der Kommunikationschef nicht entscheidenden Einfluss haben sollte, wenn es um die Absegnung einer Marketingkampagne gehen sollte. Grabenkämpfe mit dem Marketing um die Verteilung von Budgets sind unnötig, denn am Ende geht es nicht darum, wer das Geld verwaltet, sondern wer über den Einsatz das letzte Wort hat. Undenkbar? Falsch, denn auch die Juristen haben es geschafft, sich qua ihrer Funktion einen derartigen Einfluss zu sichern.
Kein CEO stammt aus der Unternehmenskommunikation
Dass der Weg lange und steinig sein wird, zeigt ein Blick in der Lebensläufe der gegenwärtigen Dax 30-Vorstände: Von rund 200 Personen hat nicht einmal eine Handvoll im Laufe der beruflichen Laufbahn eine Station in einer Kommunikationsabteilung absolviert. Von den CEOs – in der Regel für Unternehmenskommunikation verantwortlich – kein einziger. Auch das verdeutlicht, welche Rolle die Kommunikatoren gegenwärtig als mögliche Kandidaten für eine Position im Top-Management einnehmen bzw. nicht einnehmen.
Groß war Mitte der 90er Jahre die Begeisterung, als Klaus Kocks bei VW zum ersten Kommunikationsvorstand eines deutschen DAX Unternehmens berufen wurde. Vom Beginn einer neuen Ära war damals die Rede. Doch was ist davon übriggeblieben? Wann haben wir zum letzten Mal gehört, dass ein hochrangiger Kommunikator in den Vorstand eines Konzerns berufen wurde – oder noch besser: ein eigenes Vorstandsressort für Kommunikation erhalten oder sogar den Vorstandsvorsitz übernommen hat?
Schuld trägt unser Berufsstand im Wesentlichen selbst: Denn es ist bequem, sich auf seine Spezialistenrolle zurückzuziehen, abseits der relevanten Unternehmenskennzahlen und des Erwartungsdrucks, unter dem gerade operative Abteilungen stehen. Gefordert ist die tiefe Kenntnis betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge, das Verständnis der Kennzahlen und die Bereitschaft, sich als unternehmerisch denkender Ansprechpartner einzubringen und vor allem: zu positionieren. Das gelingt nicht, wenn der Kommunikator lediglich im Schatten des CEOs auftritt und, so es einen Wechsel im Vorstandsvorsitz gibt, meist gleich mit weggespült wird.
Kommunikatoren als CEOs prädestiniert
Den Personalern ist es in jüngerer Vergangenheit sehr gut gelungen, sich einen festen Platz in den Vorstandsetagen zu erarbeiten. Davon können wir lernen. Und warum sollten das nicht auch die Kommunikatoren schaffen? Die gute Nachricht: Das Vorstandsressort dafür gibt es längst. Denn eigentlich gibt es keinen Grund, warum der Weg eines CEOs nicht standardmäßig über die Station in der Kommunikationsabteilung laufen sollte.
Dort befindet sich das intellektuelle Epizentrum des Unternehmens und nirgendwo sonst denkt man so in großen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen, die für das erfolgreiche Führen eines Unternehmens so entscheidend geworden sind. Genau darüber sollten wir uns unterhalten, wenn sich wieder einmal die Frage stellt, was PR eigentlich ist. Nicht weniger. Und: Eine solche Diskussion gehört dann nach Davos, nicht nur nach Cannes.